«Vielleicht betrachtet ihr Tonhalle und Kongresshaus beim nächsten Besuch auch mit anderen Augen»
Ein persönlicher Rückblick auf die Begegnung mit dem frisch renovierten und umgebauten Baudenkmal am Zürichsee.
Ein persönlicher Rückblick auf die Begegnung mit dem frisch renovierten und umgebauten Baudenkmal am Zürichsee.
Dieser Text ist mein Abschieds-Akt als Projektleiterin bei der Abteilung Archäologie und Denkmalpflege des Kantons Zürich. In den letzten sechs Monaten habe ich mich für die Produktion einer Kurzfilmreihe zur Wiedereröffnung von Kongresshaus und Tonhalle Zürich engagiert. Das Projekt hat mich mit einem für mich bis dato mehr oder weniger fremden Thema konfrontiert: Architektur und Denkmalpflege. Ich habe dabei viel gelernt, erfahren und entdeckt. Auf gewisse Weise entstand eine Art Beziehung zwischen mir und dem Baudenkmal am See, einem Stück Zürcher Stadt- und Schweizer Architekturgeschichte. Mit diesem abschliessenden Artikel lasse ich meine Eindrücke Revue passieren.
Betreten wir die grosse Tonhalle von 1895: Wir befinden uns in einem fast hermetisch geschlossenen Raum. Neben seiner spezialisierten Akustik fasziniert er Musikliebhaber:innen durch verzierte Brüstungen, rötliche Stuckmarmorsäulen und ein Deckengemälde, das selbst Johannes Brahms in Staunen versetzte, als er sich während des Eröffnungskonzertes selber schon im Himmel sah. Von der Erweiterung aus dem Jahr 1939 geprellt, bleiben vom ursprünglich pompösen Bau der Architekten Fellner & Helmer lediglich die grosse und die kleine Tonhalle sowie das Vestibül übrig.
Die Architekten Haefeli, Moser und Steiger ergänzten 1937–1939 mit dem Kongresshaus-Neubau die Reste des Tonhalle-Baus auf eine ganz eigene Weise. Ich muss genau hinschauen, um die Details und Verbindungen zu erkennen: zum Beispiel Gitterwerk-Muster, die Themen aus der Tonhalle wieder aufnehmen oder Leuchten und Bodenplatten mit verspielten Formen, die vom Innern des Hauses nach Aussen überleiten. Nicht zu übersehen ist das Kongresshausfoyer. Mit einer Glasfront erschliesst es den Besucher:innen einen grandiosen Blick über den See bis hin zu den Alpen. Festlich und heiter soll es hier zeitweise zu und her gegangen sein. Man sagt sogar, die schillerndsten Partys der Stadt wurden hier gefeiert – da wäre ich gerne mal dabei gewesen. Der Kontrast zwischen den Epochen ist gross und fühlt sich trotzdem nicht so an, im Gegenteil. Und genau darin liegt wohl die Spezialität dieser Architektur: Eine organische und dynamische Entwicklung – eben ein Weiterbauen.
Vieles ist dann aber auch schiefgelaufen seit den 1980er Jahren, so heisst es überall. Der Bau hat gelitten, dem Werk wurde sein Wert als Denkmal nicht angemessen zugestanden. Sogar ein Abriss stand mehrmals auf der Traktandenliste. Es dauerte Jahre, bis sich Politik, Bevölkerung, Architekt:innen und Bauherrschaft gefunden und geeinigt haben. Im Jahr 2017 startet schliesslich die Instandsetzung. Ein schweres Los, das die Architektengemeinschaft ARGE Boesch Diener gezogen hat. Oder anders betrachtet: Eine Herausforderung, die ihresgleichen sucht.
Nach verschiedenen Rückbauten, Anbauten, monatelangen Restaurierungsarbeiten und trotz Anpassungen an Brandschutznormen, neuester Technikinstallationen und barrierefreiem Zugang hat sich das Baudenkmal am See seinem Ursprung wieder angenähert. In diesem Zustand habe auch ich das Gebäude zum ersten Mal betreten. Eine ganz besondere Welt. Mal fühlt man sich ins vorletzte Jahrhundert katapultiert, dann wieder in die mondänen und wilden 1950er Jahre oder in die heutige High-Tech-Welt, wo digitale Nomaden irgendwo unter einer Palme sitzend an einem Live-Stream-Konzert aus der Tonhalle teilnehmen können.
Ich empfehle sehr, den Worten der Fachleute zu lauschen und mit dem folgenden Film in die Hintergründe des Weiterbauens einzutauchen. Vielleicht betrachtet ihr die Tonhalle und das Kongresshaus beim nächsten Besuch auch mit anderen Augen, einem neuen Blick. Ich hoffe, ihr habt so viel Freude daran wie ich.
Besuchen Sie auch die Online-Ausstellung zur Baugeschichte von Tonhalle und Kongresshaus Zürich auf Google Arts & Culture.
Das Alterthümer-Magazin in Zürich bietet mit der Ausstellung «Ein aussergewöhnliches Paar: Tonhalle und Kongresshaus Zürich» Baukultur zum Anfassen.
Weitere Kurzfilme zur Geschichte und Architektur des Baudenkmals finden Sie im Beitrag Kongresshaus und Tonhalle Zürich: Weiterbauen an einem Zeitzeugen.
Weg vom Monumentalbau, hin zum kinderfreundlichen Schulhaus: Robin Bretscher spricht mit dem stellvertretenden Kantonsbaumeister David Vogt und der Schulleiterin Christina Jetzer über die Schulanlage Halden in Opfikon und den preisgekrönten Neubau in ihrem Zentrum.
Am Fusse der Alten Kantonsschule Zürich stehen heute zwei Steintafeln mit goldenen Inschriften. Sie gehörten ursprünglich zu einer 1880 erbauten, heute nicht mehr existierenden Turnhalle am Heimplatz und waren während über 100 Jahren Zeugen des architektonischen Wandels rund um einen von Baudenkmälern, Verkehrsaufkommen und Machtverschiebungen geprägten Platz. Auch das Engagement der Zürcher Regierung und Bevölkerung hinsichtlich der Gestaltung des Heimplatzes, grosse städtebauliche Ideen sowie der Umgang mit Denkmälern lassen sich anhand der Geschichte der Steintafeln erzählen.
Schreiben Sie einen Kommentar: