1254 kündigte Graf Hartmann IV. der Ältere von Kyburg in einer Urkunde an, dass er beabsichtige, eine Burg mit dem Namen Moosburg (Moseburch) zu errichten. Dafür tauschte er mit dem Abt des Klosters Alt St. Johann (Toggenburg) ein geeignetes Grundstück im heutigen Effretikon gegen ein Landstück in Weisslingen. Eigentums- und weitere Rechte übertrug er an seine Ehefrau Margarethe von Savoyen. Damit wollte er sie im Falle eines frühzeitigen Todes absichern, weil seine Ehe noch kinderlos war und auch sein Neffe, Hartmann V. der Jüngere, noch keinen Sohn hatte. Im Mittelalter waren auch hochgestellte Frauen ohne den Schutz eines Mannes nicht in der Lage, ihre rechtlichen Ansprüche durchzusetzen.

Bild einer Urkunde vom 6. Juni 1254 aus dem Staatsarchiv Turin mit Erwähung der
Urkunde vom 6. Juni 1254 aus dem Staatsarchiv Turin.

Und tatsächlich: Als mit dem Tod von Graf Hartmann dem Älteren das Kyburger Adelsgeschlecht zehn Jahre später ausstarb, ergriff sein Konkurrent Rudolf von Habsburg umgehend die Chance und riss die Verwaltung der kyburgischen Herrschaft an sich. Er entzog Margarethe die Moosburg und andere Besitzungen, sodass sie sich gezwungen sah, zu ihrem Bruder ins Schloss Chillon zu flüchten. Es kam zum Krieg zwischen Habsburg und Savoyen. Die Moosburg blieb aber im Besitz der Habsburger und wurde fortan in ihren Reihen als Lehen vergeben. Mit dem Titel wurde auch ein eigenes Wappen geführt, das beim Chronisten Gerold Edlibach erstmals bezeugt ist und auf den Karten von Jos Murer und Hans Conrad Gyger noch immer mit der Ruine und dem Weiler verbunden ist.

Kein Glück für die neuen Herren der Moosburg

Ab 1300 empfingen die Adligen von Schlatt die Moosburg im sumpfigen Gelände als Lehen. Im Jahr darauf begann sich Jakob von Schlatt auch Jakob von Moosburg zu nennen. Doch der neue Titel brachte der Familie kein Glück. In der folgenden Phase grosser politischer Veränderungen und Machtkämpfe stand sie gleich zweimal auf der Verliererseite: Johannes von Schlatt büsste 1350 für seine Rolle in der «Mordnacht von Zürich» mit dem Tod durch das Rad und 1386 wurde die Burg im Zuge der Sempacherkriege von einem Zürcher Trupp zerstört.

Der neue Inhaber, Ratsmitglied Johannes Schwend von Zürich, liess die Burg daraufhin für viel Geld wiederherstellen und ausbauen. Dabei ging es dem Junker vor allem darum, seine Burg standesgemäss auszustatten, schliesslich amteten er und sein gleichnamiger Sohn zwischen 1424 und 1433 als Landvögte von Kyburg. Auch diese liessen die Schwends ab 1424 umfassend instand stellen, was zeigt, wie gross der Reichtum der aufstrebenden Familie gewesen sein muss. Die These, dass der hohe Ausbaustandard der Moosburg mit einer vorübergehenden Erhebung zum Landvogteisitz zusammenhängt, lässt sich anhand der historischen Quellen allerdings nicht nachweisen. Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass auf der Moosburg offizielle Amtsgeschäfte getätigt wurden, denn Belege liegen keine vor.

Der einflussreiche Vater Schwend, der 1395 wegen Diebstahls und der «Belästigung von Nonnen» vorübergehend aus dem Rat ausgeschlossen worden war, wie auch sein Sohn, prägten als Ratsherren die aggressive Expansionspolitik der Stadt Zürich. Vielleicht deshalb wurde ihr vornehmes Domizil 1444 im Alten Zürichkrieg von den Eidgenossen geschleift und blieb der lokalen Bevölkerung fortan nur noch als Steinbruch erhalten.

Die Abbildung in der Schweizer Chronik des Werner Schodoler aus dem 16. Jh. zeigt, wie Kriegsknechte der Eidgenossenschaft im Jahr 1444 Burgen, Städte und Dörfer der Zürcher verheerten. Neben Dübelstein, Pfäffikon, Werdegg und Sonnenberg traf es auch die Moosburg, welche in der Chronik namentlich erwähnt wird.

Weder Gold noch Silber – die wahren Schätze im Boden

Bei archäologischen Sondierungen und Ausgrabungen wurden auf der Burgruine in den letzten 200 Jahren wertvolle Kulturschätze geborgen. Dazu gehört neben Alltagsgegenständen und Waffen auch ein grosser Bestand aus reliefverzierten Ofenkacheln, die uns einen Einblick in die damalige Wohnkultur geben. Die Kacheln stammen vermutlich von drei verschiedenen Öfen. Es ist gut möglich, dass ein erster Ofen im frühen 14. Jahrhundert errichtet wurde und bei der Zerstörung der Burg 1386 Schaden nahm, sodass sich der neue Inhaber Johannes Schwend dazu veranlasst sah, einen neuen Ofen einbauen zu lassen.

Der Kachelofen war eine bedeutende technologische Errungenschaft des hohen Mittelalters, die sich in der Region Zürich etwa um das Jahr 1100 etablierte. Während die Öfen in der Anfangszeit noch einfach gestaltet waren und vor allem einem praktischen Nutzen dienten, wurden sie in der Folgezeit zunehmend prunkvoller. Im frühen 14. Jahrhundert kamen in Zürich – wie auch in Bern, Basel und Winterthur – die ersten reliefverzierten Bildkacheln auf und wurden schnell zu einem beliebten Statussymbol der vermögenden Bevölkerung. Eine weitere Neuerung war die Anwendung von Bleiglasur. Durch das Auftragen der glänzenden, durchsichtigen Flüssigkeit vor dem Brennen konnte der Ton darunter neu gelbbraun oder grünoliv erscheinen. Dadurch konnten die Öfen nun auch mehrfarbig gestaltet werden.

Zweifarbiger Kachelofen im Luzerner Rathaus in der Luzerner Chronik Diebold Schillings des Jüngeren, zwischen 1511 und 1513.

Der Kachelofen: Fernseher des Mittelalters

Neben seinem Hauptzweck als rauchfreie Heizung nahm der Kachelofen durch die Bebilderung auch eine Rolle als Medium ein. Da im Spätmittelalter nur wenige Menschen Lesen konnten, hatten Bilder eine sehr grosse Bedeutung. Abgesehen von ihrer offensichtlichen Funktion als Schmuck, der die Betrachtenden erfreuen und zum Kauf anregen sollte, dienten die bebilderten Kacheln auch der Vermittlung von Wissen und der Unterhaltung. Sie erinnerten an Geschichten und Ereignisse, zeigten Tugenden und Laster, aber auch die neuesten Moden und Stile, an denen sich die gutbetuchten Besitzer orientierten, um «dazuzugehören». Die Verbreitung der Bilder diente somit auch als Mittel zur Aufrechterhaltung der sozialen Identität.

Das Programm dieses mittelalterlichen «Fernsehers» bestand sowohl aus Szenen des religiösen als auch des weltlichen Bereichs. Im 14. Jahrhundert war besonders die möglichst perfekte Darstellung des ritterlichen Lebens beliebt: Edelleute beim Turnier, beim Tanz oder auf der Jagd. Bereits damals gern gesehen war auch die Darstellung von Liebesszenen, der «Minne». Auf solchen Bildkacheln wird geschmust, geheiratet oder es werden romantische Treueschwüre ausgetauscht. Auch die Politik war ein wichtiger Bestandteil des Kachelofenprogramms. Stolz wurden verbündete Geschlechter durch das Zeigen von Wappenschilden und Helmschmuck präsentiert.

Da Ofenkacheln als Serienprodukte hergestellt wurden, können die aus der Moosburg stammenden Fragmente anhand von Vergleichsfunden rekonstruiert werden. Fotos: Landesmuseum Zürich, Rekonstruktionszeichnung: Daniel Pelagatti.

Ein besonderes Fundstück von der Moosburg ist eine sehr seltene Ofenkachel, auf der eine Portativspielerin dargestellt ist. Bei dem mittelalterlichen Instrument handelt es sich um eine tragbare Orgel mit Blasebalg. In mittelalterlichen Bildern wird das Instrument häufig von Engeln gespielt. Ob es sich bei diesem Bild von der Moosburg ebenfalls um eine Szene aus himmlischer Sphäre handelt, ist unklar. Ebenso gut könnte das Bild eine festlich-höfische Szene zeigen, die uns einen Eindruck vom Leben auf einer Burg vermittelt.

Ein äusserst seltener Fund aus der Moosburg: Die Ofenkachel zeigt eine Portativspielerin. Foto: Landesmuseum Zürich.

Eine spezielle Herausforderung sind jene Darstellungen, deren Sinn ohne zusätzliches Hintergrundwissen nicht zu erraten ist. Dazu gehören Tierdarstellungen, die relativ häufig vorkommen. Sie können beispielsweise für die heute noch gebräuchlichen Sternbilder stehen oder haben eine mittlerweile beinahe in Vergessenheit geratene christliche Bedeutung. Zur Decodierung der Bilder helfen uns alte Schriftquellen, wie zum Beispiel das im 2. Jh. n.Chr. in Ägypten entstandene Buch Physiologus. Darin können wir lesen, welche symbolischen Bedeutungen die Tiere einmal hatten. Diese verschmolz im Laufe der Jahrhunderte mit den Geschichten der Bibel, sodass eine völlig neue symbolische Bedeutung entstand. Dem Hersteller der Kachel bot sich dadurch die Gelegenheit, bekannte Geschichten in einer anderen Form, sozusagen verschlüsselt, darzustellen. So erschien etwa Jesus auf Kachelbildern auch als Einhorn, weil dieses Wesen sich laut der mittelalterlichen Überlieferung nur von einer Jungfrau einfangen lässt. Diese steht wiederum für Jesus’ Mutter Maria. Die auf den ersten Blick rätselhaft anmutenden Bilder können so entschlüsselt werden. Das Bild von Einhorn und Jungfrau ist also gleichzeitig ein Bildnis von Jesus und Maria.

Auf diese Weise trug der Kachelofen stets auch zur Unterhaltung der Betrachtenden bei, denn die Darstellungen waren meist vielschichtiger als wir das heute auf den ersten Blick vermuten.

Auf der Moosburg wurden mehrere Ofenkacheln mit Einhornmotiv gefunden. Fotos: Landesmuseum Zürich, LM-7397.91 und LM-7397.94.

Glossar

  • «Arglist der Zeit»: Zitat aus dem Bundesbrief von 1291, welche die politisch unsichere Zeit im ausgehenden 13. Jh. beschreibt.
  • Schleifung: Abriss und Unbewohnbarmachung einer Burg oder Befestigungsanlage.
  • Minne: Mittelhochdeutsche Bezeichnung für Liebe. Stark an ritterliche Idealvorstellungen geknüpft.

Nerd-Box für Archäologie-Affine

Die Moosburg bestand aus einem wehrhaften Wohnturm aus rohen, mindestens 70 cm langen Findlingen und einem Bering aus deutlich kleineren Sand- und Kalksteinen sowie roten und grauen Konglomeraten. Zwischen der Entstehung um das Jahr 1254 und der Schleifung der Burg 1444 wurden mehrere Anbauten hinzugefügt, deren Funktion nicht geklärt ist. Es dürfte sich dabei um Ökonomiegebäude und Stallungen handeln. Die Wasserversorgung erfolgte über einen ca. 6.40 m tiefen Sodbrunnen in der Südecke der Anlage.

Wie sich aus dem Namen ableiten lässt, lag die Moosburg einst in einem Feuchtgebiet, aus dem der eiförmige Moränenhügel strategisch günstig herausragte. Als zusätzlicher Schutz wurde um den Hügel ein rund 9 m breiter Wassergraben angelegt. Ein Trockengraben, der den Burghügel im südöstlichen Teil durchschnitt, sollte den Zugang weiter erschweren.

Gesamtplan der Ausgrabung von 1896. Die Buchstaben D und E markieren den Wassergraben, der von den Archäologen nachgewiesen werden konnten. Mit C markiert ist der Trockengraben südöstlich der Burganlage.

 

Diese Verteidigungsanlagen konnten bei archäologischen Ausgrabungen im Oktober 1896 nachgewiesen werden. Weil die damals angelegte Dokumentation aber nicht auffindbar ist – abgesehen von einem Gesamtbericht – lassen sich die Angaben zu den Gräben nicht überprüfen. Aussagen zur Tiefe der Gräben können ebenfalls keine gemacht werden.

Im 19. Jahrhundert wurde der Burghügel nach und nach abgebaut. Das kiesige Moränenmaterial wurde verwendet, um Auffüllungen im Feuchtgebiet vorzunehmen. Ab 1918 wurde der Grendelbach korrigiert und sein Einzugsgebiet vollständig melioriert. Für die Meliorationsarbeiten wurden Arbeitslose und Notstandsarbeiter eingesetzt, deren wöchentliche Arbeitszeit noch 54 Stunden betrug. Heute ist das ehemalige Feuchtgebiet ein weitgehend überbautes Wohn- und Gewerbequartier. Die Moosburg und ihre direkte Umgebung bilden seit den 1990er-Jahren eine Parkanlage.

Die Moosburg im Jahr 1934 von Norden fotografiert. Gut zu erkennen ist die dunkle, stark torfige Erde des ehemaligen Feuchtgebiets.

Teilen:

Verfasst von:

Manuel Walser

Manuel Walser

Manuel Walser ist Mittelalterarchäologe und Historiker. Bei der Kantonsarchäologie Zürich betreut er als technischer und wissenschaftlicher Mitarbeiter die Umsetzung grossflächiger Bodenprojekte.

Schreiben Sie einen Kommentar:

weitere Beiträge:

Die Wagenburg – Vom mittelalterlichen Machtsymbol zum vergessenen Denkmal

Burgställe sind faszinierende Orte. Die Mauersteine wurden schon vor langer Zeit abgetragen und forttransportiert. Die einst weitherum sichtbaren Burghügel sind heute von Bäumen überwachsen und das zersetzte Laub füllt die einst tiefen Gräben nach und nach auf. Von den ehemals stolzen Anlagen ist manchmal gerade noch ein Flurname erhalten geblieben. Fassbar sind die abgegangenen Burgen und ihre Besitzer nur noch in den historischen Quellen, wo sie unscheinbare Spuren hinterlassen haben. So auch die Wagenburg in Oberembrach.

Archäologie und Denkmalpflege für den Kanton Zürich

Tagtäglich machen wir erstaunliche Entdeckungen. Sei es auf Ausgrabungen oder bei der Inventarisierung von zunächst unscheinbaren Kulturdenkmälern. Auf dieser Website geben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung Archäologie und Denkmalpflege des Kantons Zürich aktuelle Einblicke in ihre Arbeit.