Alt-Regensberg – eine Burgruine erzählt
Die Burgruine Alt-Regensberg birgt eine lange Geschichte in sich. Wie bei einer Zwiebel können die Geschehnisse um die Burg durch archäologische Untersuchungen Schicht um Schicht freigelegt werden.
Die Burgruine Alt-Regensberg birgt eine lange Geschichte in sich. Wie bei einer Zwiebel können die Geschehnisse um die Burg durch archäologische Untersuchungen Schicht um Schicht freigelegt werden.
1953 wurden bei der Burgruine Alt-Regensberg erste Sondierschnitte angelegt, um das Ausmass der archäologischen Spuren im Boden abzuschätzen. Dabei kamen dichte Kulturschichten zum Vorschein. Aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse leitete das Schweizerische Landesmuseum umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen ein. Seither kennen wir verschiedene Bauphasen der Burg und wissen mehr über ihre Bewohnerinnen und Bewohner.
Dass die Burgruine Alt-Regensberg in einem Weiler namens Altburg in der Gemeinde Regensdorf liegt, sorgt noch heute für Gesprächsstoff. Liegt hier eine Verwechslung vor? Zumal sich in der Gemeinde Regensberg auf dem Lägernkamm ebenfalls eine Burguine befindet. Warum die Ruine in Altburg-Regensdorf tatsächlich Alt-Regensberg heisst, lässt sich aus ihrer Geschichte herleiten.
Bleiben wir beim Bild der Zwiebel: Es waren die Mitglieder einer hochmittelalterlichen Adelsfamilie, welche die ursprüngliche Aussaat vornahmen und den Spross der Burg keimen liessen. Sie gaben der Burg den Namen Regensberg. Die Gründung der Burg datiert in die Mitte des 11. Jahrhunderts. Aus der Gründungsphase stammen Teile des massiven wehrhaften Hauptturmes, dessen Überreste heute noch in der Mitte der Anlage thronen. Auch die Zisterne westlich des Turms und eine hölzerne Palisade um die ganze Anlage mit Stallungen und Speicherräumen wurden in dieser ersten Bauphase angelegt.
Die Herkunft der Familie ist unklar bzw. in der Forschung umstritten. Was klar ist: Ein Adeliger namens Lütold I. nannte sich als erster «von Regensberg» und begründete damit die Linie der Freiherren von Regensberg. Die Regensberger etablierten ihren Namen nicht nur durch den Bau der Burg. Auch durch Heiratsbeziehungen, unter anderem zu den Kyburgern, den Habsburgern und den Toggenburgern, festigten sie ihre Stellung als eine der bedeutenden Adelsfamilien in der Region. Die Regensberger lebten als Grossgrundbesitzer, verwalteten ihren Streubesitz und waren oft unterwegs, da sie ihren weitreichenden Besitz kontrollieren, Recht sprechen, diplomatische Verbindungen aufrechterhalten und gesellschaftlichen Pflichten nachkommen mussten.
In der nächsten Schicht an archäologischem Material und Befunden lässt sich ein Ausbau der Anlage im späten 12. oder frühen 13. Jahrhundert erkennen. Die Regensberger versahen den Turm mit einer Bossenquadereinfassung und legten weitere Schuppenblätter um den bereits soliden Zwiebelstiel. Sie bauten eine neue Zisterne und ersetzten die hölzerne Palisade durch eine steinerne Ringmauer. Zudem errichteten sie Wirtschaftsbauten wie Schöpfe, Ställe, Speicher und Kornkammern. Auf dem Burgareal lebten auch Knechte, Mägde und ihre Angehörigen in bescheidenen Behausungen. Ihre Anzahl vermehrte sich mit dem Reichtum der Familie. Der Ausbau der Burg begleitete und betonte die Machtstellung der Regensberger.
In der ersten Hälfte des 13. Jh. bauten die Regensberger auf dem Lägernsporn oberhalb von Dielsdorf einen neuen Wohn- und Herrschaftssitz, das heutige Regensberg. Die Burg im heutigen Regensdorf hiess fortan Alt-Regensberg. Diese Teilung ist der Ursprung der eingangs erwähnten Namensverwirrung.
In der zweiten Hälfte des 13. Jh. geriet die Familie in finanzielle Schwierigkeiten. Die Nachkommen beider Linien sahen sich gezwungen, ihren Besitz zu verkaufen. 1331 starb mit Lütold IX. der letzte männliche Nachkomme des Geschlechts.
Im Jahr 1360 übernahm Hermann von Landenberg-Greifensee die Burg. Darüber, wie genau es dazu gekommen ist, ist wenig bekannt. Sicher ist, dass Hermann von Landenberg-Greifensee zu jener Zeit ein angesehener Dienstmann der Habsburger war und dass die Regensberger bereits nicht mehr existierten.
Die Familie Landenberg-Greifensee nahm als neue Besitzerin weitere Veränderungen am Burgareal vor und fügte dem Bau ihre eigene Schicht Geschichte hinzu. Sie erhöhte die Mauern, liess nordöstlich des Hauptturms einen repräsentativen Saalbau errichten und baute neue Ställe im Innenhof. An den Fundamenten lässt sich ablesen, dass einige der älteren Stallungen und Speicherräume als Unterlagen für die Holzstützen des Saalbaus gedient haben.
Während fünf Generationen residierten die neuen Eigentümerinnen und Eigentümer hier, bis Martha Landen-Greifensee entscheidet, fortan in ihrem Zürcher Stadthaus zu leben. Ihr Ehemann Johannes (Hans) Schwend verkaufte die Burg 1458 in ihrem Namen an den Ravensburger Kaufmann Rudolf Mötteli. Dieser gestaltete das ganze Areal erneut um und modernisiert es. In unserem Zwiebelbild ausgedrückt: Er entfernte alle trockenen Aussenblätter und gab der Knolle neuen Dünger, damit sie gedeihen konnte. Sein Ziel war es, die Burg in einen stattlichen Herrschaftssitz zu verwandeln. So wurde beispielsweise der Hauptturm neu ausgestattet, um ein repräsentatives Ambiente zu schaffen. Mötteli leitete auch die Konstruktion einer neuen Zisterne mit Überlaufkanal ein und liess einen Keller eintiefen, in dem Jahrhunderte später, 1919, das Wasserreservoir für den Weiler Altburg eingebaut wurde.
Nachdem Rudolf Mötteli 1463 das Bürgerrecht der Stadt Luzern erhalten hatte, musste er um seinen Besitz bangen. Denn die Stadt Zürich schrieb vor, dass nur Zürcher Stadtbürger Inhaber von Herrschaften im Hoheitsgebiet der Stadt sein können. Der Fall ging sogar vor den Rat der Stadt Luzern, der die Ansprüche von Zürich schliesslich guthiess. 1468, nachdem er grosse Investitionen geleistet hatte, musste Rudolf Mötteli die Burg Alt-Regensberg und die dazugehörigen Ländereien an die Stadt Zürich verkaufen.
Obwohl sich die Stadt Zürich um die Herausgabe der Burg bemüht hatte, schien sie in der Folge kein Interesse mehr daran zu haben. Die Burg Alt-Regensberg verkam zum Steinbruch; sie bot sich als riesiges Lager aus schön bearbeiteten Steinen an. 1705 wird aus ihren Bausteinen die reformierte Kirche in Regensdorf und 1775 eine Brücke in Adlikon errichtet.
Aus dem Besitz des alten Stadtstaates Zürich ging die Ruine nach der Französischen Revolution in den Besitz des neuen Kantons über. Bereits 1819 erliess dieser eine Schutzverordnung für die noch vorhandenen Reste der einstigen Burg. Ein Teil der Burgruine stürzte 1895 trotzdem ein. Zwar befand sich die Burg im Eigentum des Kantons, der Hügel jedoch gehörte einem Privatinhaber, welcher dort ab 1840 einen Rebberg anlegte. Dauernde Klagen wegen der Bedrohung des Rebberges durch herunterfallende Steine führten 1888 zur Frage, ob die Anlage abgebrochen werden soll.
Anfang des 20. Jahrhunderts entschied sich der Kanton gegen einen Abbruch und für bauliche Sicherungsarbeiten. Damit sollten weitere Entschädigungszahlungen an den Rebbauern vermieden werden. 1902 und 1909 liess der Kanton das Mauerwerk sichern. Mit Unterstützung der Antiquarischen Gesellschaft Zürich und der Lehrervereinigung sowie der Hilfe von Insassen der Strafanstalt Regensdorf wurden die ersten Erhaltungsarbeiten durchgeführt. Dank dieser Arbeiten und späterer Restaurierungsmassnahmen können wir die Ruine auch heute noch begutachten.
Burghügel und Umgebung sind nicht nur wichtige historische Zeugnisse, sondern auch wertvolle Naturschutzflächen. Mit Mitteln aus dem Natur- und Heimatschutzfonds konnte der Kanton 2017 rund um die Burganlage Land kaufen. Im Rahmen einer Sanierung wurde das umliegende Waldstück, dessen Wurzelwerk den Zerfall der Burgmauern begünstigte, Anfang 2021 ausgelichtet.
Die Burg Alt-Regensberg wurde und wird immer wieder den Bedürfnissen der Zeit angepasst. Werden ihre Überreste heute gut erhalten, so kann diese Ruine als Zeitzeugin auch von kommenden Generationen zu ihrer Geschichte befragt werden und neue Erkenntnisse hervorspriessen lassen.
Mehr Informationen zu Burg, zur Umgebung und zu den Regensbergern finden Sie im neuen Buch «Die Kunstdenkmäler der Schweiz – Der Bezirk Dielsdorf», online zugänglich auf KdS-online (ekds.ch)
Am Fusse der Alten Kantonsschule Zürich stehen heute zwei Steintafeln mit goldenen Inschriften. Sie gehörten ursprünglich zu einer 1880 erbauten, heute nicht mehr existierenden Turnhalle am Heimplatz und waren während über 100 Jahren Zeugen des architektonischen Wandels rund um einen von Baudenkmälern, Verkehrsaufkommen und Machtverschiebungen geprägten Platz. Auch das Engagement der Zürcher Regierung und Bevölkerung hinsichtlich der Gestaltung des Heimplatzes, grosse städtebauliche Ideen sowie der Umgang mit Denkmälern lassen sich anhand der Geschichte der Steintafeln erzählen.
Tagtäglich machen wir erstaunliche Entdeckungen. Sei es auf Ausgrabungen oder bei der Inventarisierung von zunächst unscheinbaren Kulturdenkmälern. Auf dieser Website geben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung Archäologie und Denkmalpflege des Kantons Zürich aktuelle Einblicke in ihre Arbeit.
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