Die «Blüemlihalle»
von Augusto Giacometti

Die Gewölbe- und Wandmalereien in der Eingangshalle des Städtischen Amtshauses I in Zürich gehören zu den eindrucksvollsten Werken des bedeutenden Schweizer Künstlers Augusto Giacometti. Durch die Ausmalung des früheren Kellers gelang ihm eine radikale Neuinterpretation des Raums. Die 2016 bis 2019 vorgenommenen Konservierungs- und Instandstellungsarbeiten sichern die Ausstattung der Halle für die nächsten Jahrzehnte.

Die Eingangshalle des Städtischen Amtshauses I in Zürich beeindruckt durch ihre überwältigende orange-rote Farbenpracht. Die sogenannte Blüemlihalle weist am Deckengewölbe florale Elemente und an den Wänden sechs figürliche Darstellungen auf. Sie wurde 1921 im Rahmen eines Wettbewerbs zur Arbeitsbeschaffung für junge Künstler von Augusto Giacometti (1877–1947) entworfen, der bei der Ausführung von Franz Riklin (1878–1938), Jakob Gubler (1891–1963) und Giuseppe Scartezzini (1895–1967) unterstützt wurde. Giacometti fertigte für seine Mitarbeiter farbige Vorlagen im originalen Massstab an. Die Ausführung der Malereien verzögerte sich, weil die Künstler mit der «al fresco»-Technik wenig vertraut waren. Dabei werden die Pigmente in den noch feuchten Kalkputz gemalt, worauf während des Trocknungsprozesses eine dauerhafte Verbindung entsteht. Die Technik erfordert Geschwindigkeit und Präzision. Die geringe Erfahrung von Giacomettis Mitarbeitern führte zu einer mangelhaften Umsetzung der Vorlagen. Aus finanziellen Gründen musste überdies auf die vorgesehenen Goldeinlagen in der Deckenmalerei verzichtet werden.

Ansicht des zum Amtshaus I umgebauten Waisenhauses und des Amtshauses II (rechts). Das frühere Kellergeschoss dient nun als Eingangshalle mit flachgedecktem Vorbau. Aufnahme 1914. Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv. Signatur Zürich K2, Waisenhaus I, 9.

Restaurierungsgeschichte

Die Wand- und Deckenmalereien erfuhren nach rund 25 Jahren eine erste Instandsetzung durch Giuseppe Scartezzini. Er übermalte fragile Stellen mit Temperafarbe (Farbe mit einem Bindemittel) und trug ein irreversibles Konservierungsmittel auf.

In den Jahren 1986 bis 1987 und 2000 fand eine Renovation der Eingangshalle statt. Den Verantwortlichen der städtischen Denkmalpflege Zürich gelang es mit Unterstützung von Experten, Salze und eindringendes Wasser als Ursache für Schäden an der Ausmalung zu ermitteln. Die organischen Bindemittel hatten sich zersetzt, worauf sich die Malereien vom Untergrund gelöst hatten. Die restauratorischen Massnahmen beinhalteten Festigungsarbeiten und Retuschen sowie eine Stabilisierung des Raumklimas.

Ausschnitt eines Gewölbefeldes. Zustand nach der Restaurierung, Juli 2019. Aufnahme Urs Siegenthaler, Zürich. Fotoarchiv Kantonale Denkmalpflege Zürich.

Von Dezember 2016 bis Mai 2019 fand eine umfassende, von der kantonalen Denkmalpflege Zürich begleitete Instandsetzung der «Blüemlihalle» statt. Der Restaurator Andreas Franz stellte unterschiedliche Schadensbilder fest, die zum Teil auf die falsche Anwendung der «al fresco»-Technik und frühere Massnahmen zurückgingen. Bei den sich ablösenden Farbschichten beschränkte er sich auf die notwendigsten Sicherungsarbeiten. Am Gewölbe entfernte der Restaurator Staubschichten, die sich mit der in Kunstharz getränkten Oberfläche verbunden hatten. Um dies in Zukunft zu verhindern, sind kontinuierliche Reinigungsarbeiten erforderlich.

Die Wandbilder zeigen Maurer und Steinhauer bei der Arbeit (links) sowie einen Magier (rechts). Zustand nach der Restaurierung, Juli 2019. Aufnahmen Urs Siegenthaler, Zürich. Fotoarchiv Kantonale Denkmalpflege Zürich.

Ein weiteres Schadensbild sind Risse an den Stellen, an denen die Künstler ihr Tagwerk beendet und am folgenden Tag wieder aufgenommen hatten. Anhand dieser Risse lässt sich feststellen, wie lange an einer Etappe gearbeitet wurde. Da sich dieses Schadensbild seit der letzten Restaurierung nicht verändert hatte, waren keine Massnahmen nötig. Der Terrazzoboden wies starke Abnutzungsspuren auf. Der Restaurator Tobias Hotz reinigte die Fliesen und ergänzte die Fehlstellen und Fugen mit eingefärbtem Steinkitt bzw. mineralischem Fugenmörtel. Die Halogenleuchten von 1987 sind durch eine neue Beleuchtung mit LED-Technik ersetzt worden.

Die Ausmalung der Schatzkammer für die liturgischen Objekte der Hofkirche St. Leodegar in Luzern von Alfred Schmidiger. Zustand November 2019. Aufnahme Urs-Beat Frei, Luzern.

Rezeption

Die «Blüemlihalle» gilt als einzigartig im Werk von Augusto Giacometti. Ihre sakral anmutende Erscheinung inspirierte wohl den Luzerner Künstler Alfred Schmidiger (1892–1977) wenige Jahre später zur Ausmalung der Schatzkammer für die liturgischen Objekte der Hofkirche St. Leodegar in Luzern. Den Gemälden, Wandgemälden, Mosaiken und Glasgemälden von Augusto Giacometti widmete das Schweizerische Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA) den im Herbst 2023 erschienenen «Catalogue raisonné». Im Aargauer Kunsthaus in Aarau und im Bündner Kunstmuseum in Chur finden im Frühjahr 2024 Ausstellungen mit Gemälden bzw. Arbeiten auf Papier des Künstlers statt.

Ein ausführlicher Text zur Restaurierung der «Blüemlihalle», verfasst von Thomas Müller und Fabienne Widmer, findet sich im 24. Bericht der Zürcher Denkmalpflege, S. 288–295.

Archäologie und Denkmalpflege Kanton Zürich

Zürcher Denkmalpflege

24. Bericht 2017–2018

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Link zur Open-Access-Ausgabe

Der 24. Denkmalpflegebericht vermittelt Einblicke in die vielschichtige Tätigkeit der kantonalen Fachstelle in den Jahren 2017 und 2018. Mit Beiträgen von Gaby Weber, Regula Michel, Roland Böhmer, Thomas Müller, Pietro Wallnöfer, Cristina Mecchi, Fabienne Widmer, André Barthel, Andreas Gallmann, Benjamin Thommen, Martin Benz, Emmanuelle Urban, Claudia Fischer-Karrer.

Zürich: Schwabe Verlag, 2024.
Printausgabe: CHF 45.00
ISBN 978-3-7965-4966-3

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Verfasst von:

Gaby Weber

Gaby Weber

Die Kunsthistorikerin Gaby Weber ist bei der kantonalen Denkmalpflege Zürich als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig.

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