Wetterfest eingepackt, mit Handy und Regenschirm bewaffnet, steige ich an der Haltestelle Wetzikon Buchgrindel aus. Auf dem Wanderweg durch das Naturschutzgebiet am Pfäffikersee tauche ich ab in eine Welt, die durch die letzte Eiszeit entstanden ist und von Menschen seither verändert wird. Begonnen haben die Veränderungen der Landschaft vor rund 7000 Jahren. Damals liessen Pfahlbauer*innen sich an den Seen um die Alpen nieder. Heute können wir ihre Spuren nur noch selten sehen. Um Ihr Erbe sichtbar zu machen, haben der Verein UNESCO Welterbe Pfahlbauten und die Kantonsarchäologie zehn Informationsstationen zwischen Pfäffikon und Wetzikon aufgestellt. Auf dem Pfahlbauweg erfährt man Wissenswertes über die Entdeckung der Pfahlbauten, das Leben der Menschen von damals und die Erforschung der Fundstellen. Wer ein Smartphone dabei hat, kann per QR-Code auf weitere Informationen zugreifen und ein Quiz lösen.

An den zehn Stationen des Pfahlbauwegs gibt es viel zu lernen. Repliken von Funden aus den Pfahlbausiedlungen geben Einblicke in die Vielfältigkeit der Funde. Fotos: Kantonsarchäologie Zürich, M. Bachmann.

Ein Leben in Einklang mit der Natur am schönen See?

Der Begriff Pfahlbau bezieht sich auf die Bauweise der Häuser, die während der Jungsteinzeit und der Bronzezeit vor 7000–2800 Jahren an Gewässern rund um die Alpen gebaut worden sind. Ein Leben in einem solchen Haus am See mögen wir uns heute idyllisch vorstellen. Die romantische Verklärung der Pfahlbauzeit begann Mitte des 19. Jahrhunderts, als in der Schweiz das «Pfahlbaufieber» ausbrach. Die Symptome äusserten sich durch fieberhaftes Suchen und Ausgraben von Fundstellen, deren Erforschung und den Verkauf von Funden in die weite Welt; über das Leben der Pfahlbauer*innen wurden Theaterstücke geschrieben, Lieder gedichtet und Lebensbilder gemalt.

Dichtqualmende Nebel umfeuchen
ein Pfahlbaugerüstwerk im See
und fern ob der Waldwildnis
leuchten die Alpen in ewigem Schnee

Joseph Viktor von Scheffel, Der Pfahlmann, 1868
So stellten sich die Menschen im 19. Jahrhundert Pfahlbaumänner vor. Umzug am Neuenburger Schützenfest, 1882. Foto: Laténium, Hauterive.

Wer wie ich bei nasskaltem Wetter am Ufer des Pfäffikersees spazieren geht, mag erahnen, dass es nicht immer sehr gemütlich war, direkt im oder am See zu wohnen. Dass das Leben der Pfahlbauer*innen kein Zuckerschlecken war, zeigen auch Hinweise auf Krankheiten, Nahrungsknappheit und andere Katastrophen, welche Archäologen*innen an Pfahlbaufundstellen finden. An verschiedenen Stationen des Pfahlbauwegs (z.B. Station 7) wird darüber berichtet.

Wer bei kühlem und nassem Wetter am Pfäffikersee spazieren geht, kann sich vorstellen, dass Nässe und Kälte das Leben ungemütlich machen können. Fotos: Kantonsarchäologie Zürich, H. Müller.

Trautes Heim mit Schwein: Innovationen der Jungsteinzeit

Die zuvor verbreitete Lebensweise der umherziehenden Sammler und Jäger wurde in der Jungsteinzeit durch ein anderes Leben verdrängt, welches sich durch Sesshaftigkeit, Ackerbau, Viehzucht und Vorratshaltung auszeichnete. Die Pfahlbauer*innen bauten Häuser und rodeten Wälder, um Baustoff und Ackerland zu gewinnen. Auf den Äckern bauten sie Kulturpflanzen an, zum Beispiel Mohn, Lein, Einkorn und Emmer. Fische, Rehe, Wildschweine und weitere Wildtiere sowie diverse Pilze und Sammelpflanzen wie Kräuter, Beeren oder Schlehen ergänzten den Speisezettel. Eine bedeutende Neuerung der Jungsteinzeit waren Haustiere: Schafe, Schweine, Ziegen, Rinder und später auch Pferde wurden zum Weiden in den Wald geführt und im Winter mit Laub gefüttert.

In der Jungsteinzeit setzte sich eine neue sesshafte und bäuerliche Lebensweise durch. Illustration: bunterhund.ch.

Neben Ackerbau, Tierzucht, Sammeln und Jagen waren die Pfahlbauer*innen auch talentiert im Handwerk. Faszinierende Funde ermöglichen Einblicke in die damals verwendeten Rohstoffe, Werkzeuge, Herstellungstechniken und Produkte. So zeugen Webgewichte, Spinnwirtel, Leinreste oder Fadenknäuel von der Produktion von Textilien, während Teile eines Umhanges, Hüte oder Schuhe aus Lindenbast die Vielfältigkeit der textilen Produkte aufzeigen.

Archäologische Funde weisen auch darauf hin, dass an einigen Orten bereits mehr hergestellt wurde, als für den Eigenbedarf nötig war. Gehäufte Funde von Steinbeilklingen und Flachsfasern bei der Fundstelle Pfäffikon-Burg zum Beispiel legen den Schluss nahe, dass diese Produkte gehandelt bzw. getauscht wurden (mehr dazu bei Station 1).

Die vielen Steinbeilklingen, Halbfabrikate und Abfallprodukte der Steinbeilproduktion aus der Fundstelle Pfäffikon-Burg weisen auf eine Überschussproduktion hin. Illustration: bunterhund.ch.

Auch andere Funde zeigen, dass es bei den Pfahlbauern*innen bereits eine Art von Handel und Kontakt mit anderen Regionen gab. So wurden verschiedene Dolche aus Feuerstein gefunden, deren Rohstoffe aus bis zu 850 km Entfernung stammen (mehr dazu bei Station 4). Ab der Bronzezeit kam dann auch die Bronze hinzu. Kupfer und Zinn zur Herstellung von Bronze musste aus weiter Entfernung hergeholt werden. Gerade das Zinn, das in Europa nur an wenigen Orten natürlich vorkommt – beispielsweise im Erzgebirge, in Cornwall oder in der Bretagne – wurde über weite Strecken transportiert (mehr dazu bei Station 5).

Unsichtbar und dennoch bedroht

Was vielen Spaziergänger*innen am Pfäffikersee nicht bewusst ist: Archäologische Spuren stecken oft noch unter ihren Füssen in der Erde. So sind auch die beiden Fundstellen Wetzikon-Robenhausen und Pfäffikon-Burg noch nicht vollständig untersucht. Heute werden in der Regel nur bedrohte Areale ausgegraben. Wir sollten nicht vergessen, dass noch viele unentdeckte Fundstellen in der Erde schlummern. Die Karte mit archäologischen Zonen (auf www.geoportal.ch) zeigt, wo im Kanton Zürich nach heutigem Wissensstand Spuren unserer Vorgänger*innen zu erwarten sind.

Rund um den Pfäffikersee besteht eine Archäologische Schutzzone (violett eingefärbt), d.h. in diesem Gebiet werden archäologische Spuren vermutet. Karte: Archäologische Schutzzonen www.geoportal.ch (30.10.2022).

Viele Fundstellen sind heute unter anderem durch von Erosion, Austrocknen des Bodens oder Bauvorhaben bedroht. Der Schutz solcher Fundstellen ist wichtig, da sonst die Informationen darüber verloren gehen, wo und wie die Menschen früher gelebt haben und wie sie ihre Umwelt genutzt und verändert haben. Oder auch, wie sie sich an Veränderungen angepasst haben und mit herausfordernden Situationen umgegangen sind.

Um diese wertvollen Siedlungsreste besser schützen zu können, sind 111 Pfahlbaufundstellen – davon 56 Schweizer und 7 Zürcher Fundstellen – seit ein 2011 ein UNESCO-Welterbe. Das heisst, sie gehören wie der Machu Picchu, die Chinesische Mauer oder die Pyramiden von Gizeh zu Denkmälern und Stätten, die von weltweiter, unschätzbarer Wichtigkeit sind. Im Gegensatz zu den Pyramiden oder der Grossen Mauer liegen die Pfahlbauten vor unserer Tür. Auf dem Pfahlbauweg wird uns dieses unsichtbare Welterbe nähergebracht.

Ein spannender Tagesausflug

Der abwechslungsreiche Pfahlbauweg gibt einen guten Einstieg in die Welt der Pfahlbauten. Darum empfehle ich allen, einen Spaziergang am Pfäffikersee auf den Spuren unserer Vorgängerinnen und Vorgänger zu unternehmen. Auf der einfachen Wanderung durch das wunderschöne Naturschutzgebiet gibt es für Gross und Klein vieles zu entdecken. Entlang des Weges befinden sich auch Badis und Feuerstellen. Damit kann aus dem Entdeckungs-Spaziergang auch ein spannender Tagesausflug entstehen, wenn Ihr Euch nicht wie ich an einem regnerischen Tag auf den Weg macht.

Der Pfahlbauweg zwischen Pfäffikon und Wetzikon

Der Pfahlbauweg durch das Naturschutzgebiet am Pfäffikersee ist rollstuhlgängig und kinderwagentauglich. Insgesamt sind es 6,6 km, die in 1.5 h abgelaufen werden können.

Die zehn Stationen zwischen Pfäffikon und Wetzikon können in beliebiger Reihenfolge besucht werden. Wer nicht den ganzen Weg auf einmal machen möchte, kann ihn auch abkürzen. Spazieren Sie zum Beispiel von der Station 6 am schönen «Chämptnerbach» entlang zum Bahnhof Kempten.

Entlang des Weges gibt es verschieden Badis, Feuerstellen, Toiletten, Kiosks oder Restaurants.

An jedem Standort kann über einen QR-Code oder auf www.pfahlbauweg.ch ein Rätsel gelöst werden. Wer das Quiz gemeistert und alle Fragen richtig beantwortet hat, darf im Museum Wetzikon einen Preis abholen. Das Museum ist jeweils sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

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Verfasst von:

Hildegard Müller

Hildegard Müller

Hildegard Müller studierte in Basel prähistorische und naturwissenschaftliche Archäologie. Neben Ausgrabungen und experimenteller Archäologie im Zusammenhang mit Beinartefakten arbeitete sie bei verschiedenen Vermittlungsprojekten mit. Bei der Kantonsarchäologie Zürich war sie 2021 und 2022 bei Ausgrabungen am Mythenquai und in Marthalen dabei.

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